Originalsubstanz hat Vorfahrt

Originalgetreue Restaurierung: Wenn man historische Fahrzeuge erzählen lässt

Der technologische Fortschritt bringt zahlreiche Annehmlichkeiten für unser aller Leben mit sich. Auch vor dem Autobau macht der Fortschritt nicht Halt – und freilich auch nicht vor Werkstätten und Restaurationsbetrieben: Schweißnähte, Blechpartien, Polster oder Kabelbäume von historischen Fahrzeugen können heute nahezu fehlerfrei nachgebaut werden. In bestimmten Fällen, in denen zu viel Originalsubstanz fehlt und eine Restauration anders nicht möglich ist, kann das auch erforderlich und wünschenswert sein.

Detailaufnahme eines restaurierten Porsche-Klassikers

Der höchste Grad an neuzeitlicher Perfektion ignoriert allerdings die besondere Geschichte historischer Fahrzeuge – eine Geschichte, die sich nur anhand der Originalsubstanz nacherzählen lässt. Eine einzelne Schweißnaht wird dabei sicherlich nicht über die ‚Seele‘ des Fahrzeugs entscheiden, in Summe können moderne Fertigungstechniken aber den ursprünglichen und unwiederbringlichen Charakter eines Fahrzeugs zerstören. Umso schützens- und erhaltenswerter sind die Originalmaterialien und Arbeitsweisen, die heutzutage nur noch selten in ihrer historischen Qualität zum Einsatz kommen.

Für Fachleute ist es umso wichtiger, diese Unterschiede und Möglichkeiten zu (er)kennen: Welche Baugruppen sind erhaltungsfähig, wo ist eine Originalrestauration sinnvoll, wo eher nicht? Professionelle Restaurationsbetriebe müssen in diesen Situationen eine Gratwanderung zwischen vielen unterschiedlichen Philosophien und Ansichten vollführen – immer im engen Austausch mit den Kunden und mit einem scharfen Blick für die Gesamtwirkung des Fahrzeugs.

Originalität zählt –

gerade im Kontext kostbarer, historischer Fahrzeuge

Sei es die Pionierarbeit von Daimler aus den 1920er- bis in die späten 1960er-Jahre, die frühen Sportwagenikonen von Porsche und BMW, die mediterrane Leidenschaft vergangener Tage in historischen Maserati- und Ferrari-Modellen: Jedes einzelne Kapitel der Automobilgeschichte glänzt mit einem ganz eigenen Charakter, ganz eigenen Besonderheiten, die es zu bewahren gilt.

In diesem Wunsch nach Konservierung steckt auch der zentrale Anspruch einer fachmännisch durchgeführten Restaurierung. Das drückt sich schon in der Wortbedeutung aus: Es geht um das Beibehalten und Wiederherstellen früherer Verhältnisse – nicht um das Schaffen neuer Fakten. Neue Fertigungstechniken, synthetische Verbundmaterialien und moderne Hochleistungskunststoffe laufen diesem Anspruch zuwider. Originale Substanz – oder zumindest originalgetreue Reproduktionen – erhalten nicht nur den materiellen Wert kostbarer Oldtimer bestmöglich, sondern darüber hinaus ihren ideellen, emotionalen Wert. Sie halten die Begeisterung für diese historischen Fahrzeuge ebenso lebendig, wie diese Fahrzeuge bei ihren Betrachtern die Begeisterung für vergangene Epochen lebendig halten.

Originalgetreue Oldtimer-Restaurierungen

fangen den Zeitgeist ein

Dennoch lässt sich nicht verhindern, dass der Zahn der Zeit am Material nagt: Korrosion kann die Blech- oder Aluminiumkarosserien früher Porsche-Modelle der Baureihen 550, 356 und 911 ebenso befallen wie die frühen Exponate aller namhaften Hersteller aus der Automobilgeschichte. Die Kabelisolierungen können spröde werden und brechen, Originallacke können brüchig werden und ihren Glanz verlieren. Und auch mit Rosshaar gefütterte Polster sind irgendwann einmal durchgesessen. Und dann wären da noch Unfälle und andere Beschädigungen der Originalsubstanz, die sich – wie auch beim Menschen – im Laufe eines 60 oder 70 Jahre langen Lebens kaum vermeiden lassen.

In unserem Fachbetrieb für originalgetreue Restaurationen von Oldtimern stellen wir immer wieder fest, dass sogenannte „perfekt restaurierte Fahrzeuge“ zwar restauriert worden sind, allerdings ohne auf den maximalen Erhalt der Originalsubstanz oder zumindest auf den Einsatz originalgetreuer Materialien und Arbeitstechniken zu achten. Im Laufe der Zeit wurde stattdessen oftmals eher auf den persönlichen Geschmack der jeweiligen Fahrzeugbesitzer geachtet als auf den Erhalt der Originalsubstanz. Anfang der 2000er-Jahre etwa wurden viele historische Fahrzeuge entsprechend des aktuellen Geschmacks und Zeitgeists restauriert und modifiziert. Dieser Zeitgeist war aber – wie jede Modeerscheinung – vergänglich, wodurch die Fahrzeuge einen Teil ihres Ausdrucks der Zeitlosigkeit eingebüßt haben.  Das spart in vielen Fällen zwar Zeit und damit Geld, im gleichen Zuge zerstört es jedoch Teile der oftmals sehr indivuellen Fahrzeuggeschichte unwiederbringlich – im Ergebnis schadet das auch dem wirtschaftlichen Wert des Exponates.

Die Fahrzeugbesitzer sind zumeist auf das Fachwissen des Restaurateurs angewiesen, wenn es um originalgetreue Blechgüten und -dicken, die Materialauswahl und die zahlreichen Besonderheiten bei der Art der Verarbeitung aus den frühen Tagen der Automobilgeschichte geht:

Die Karosserieteile des legendären Porsche 550 RS Spyder
könnten heute zwar sicherlich WIG-geschweißt die gesamte Karosserie wie der Stahlrahmen der historisch bedeutenden Kleinserie wurden seiner Zeit jedoch autogen geschweißt und händisch vernietet – heute eine größtenteils vergessene Kunst.

Das Interieur von zahlreichen Fahrzeugen aus dieser Zeit
wurde größtenteils von Hand gearbeitet. Dadurch haben sie eine Anmutung und Ausstrahlung, die es unbedingt zu erhalten gilt. Hierbei spielen Originalmaterialien eine entscheidende Rolle.

Die für das Design markantesten Partien aller bekannten mobilen Jahrhundertdesigns
sind durch die Güte, die Scharfkantigkeit und Bearbeitung der Originalbleche definiert – eine allzu makellose, modern-perfekte Nachfertigung würde den historischen Charme schmälern und ein wesentlicher Teil des Fahrzeugcharakters wäre nicht mehr originalgetreu. Zu dick aufgetragene Spachtelmassen oder übermäßig abgerundete Kanten, die keinen definierten Übergang zwischen Blechpartien mehr zulassen sind heute leider eine häufige Konsequenz unsachgemäßer Instandhaltungsversuche.

Wertvoll sind vor allem die Dinge,

die bleiben

Originalgetreue Restaurierungen erfordern auch eine gewisse Bereitschaft und Akzeptanz des Fahrzeugbesitzers, wie eine Hingabe an die Zeit, aus der ein Fahrzeug stammt: Ein Mehr an Erfahrung, an Authentizität und Liebe zum Detail, geht zwar zunächst mit einem erhöhten Arbeits- und Zeitaufwand einher. Der Erhalt historischer Blechpartien kann dennoch mutiger und klüger sein als der Austausch durch Neuteile. Die Originalbleche mit ihrer individuellen Patina, die von Handarbeit aus dem Leben des Fahrzeugs bewahren eine Geschichte die kein modern reproduziertes Bauteil jemals erzählen könnte.

Originalrestaurierungen sind jedoch keine rein ideelle Frage – wirtschaftlich betrachtet sind sie in jedem Fall sinnvoll: Originalgetreue Restaurationen fördern den Werterhalt und führen im Vergleich zu konventionell restaurierten Oldtimern zu deutlich höheren Verkaufspreisen. Schon Fahrzeuge mit hohen Produktionsauflagen von mehr als 1.000 Exemplaren erzielen bei Auktionen oft rund 20 bis 30 Prozent höhere Verkaufspreise als „konventionell restaurierte Fahrzeuge“. Bei besonders raren Fahrzeugen aus Klein- und Kleinstserien wird die Wertsteigerung dank historisch korrekter Restaurierung nochmals deutlich höher ausfallen.

Hapke Original Restauration:

Weil Fahrzeuge ihre eigene Geschichte erzählen sollten

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